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EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN

Nachdem Regisseur Tim Burton (BEETLEJUICE, PEE-WEE'S BIG ADVENTURE) mit dem Multi-Millionen-Dollar-Spektakel BATMAN weder die Erwartungen des Publikums (forciert durch den gigantischen Werbeaufwand), noch seine eigenen an das Projekt geknüpften Ambitionen zu erfüllen vermochte, hat er mit EDWARD SCISSORHANDS wieder einen idealen Spielplatz für seine überbordende, frealdg-ausgefallene Phantasie gefunden.

Edward mit den Scherenhänden, ein künstlicher Mensch, ist das Produkt eines alten Erfinders, der in seiner Burg auf einem Berg, hoch über den bunten Häusern einer amerikanischen Vorstadt lebt. In endlosen Stunden und mit unendlicher Geduld und Sorgfalt hat er sein Geschöpf so perfekt gestaltet, daß es nicht nur wie eine Maschine funktioniert, sondern auch so etwas wie eine Seele und echte Gefühle besitzt. Diese Mühen kosteten so viel Zeit, daß der Forscher stirbt, bevor er Edward statt seiner Scheren Hände anbringen kann. Doch trotz der Scheren ist Edward kein Monster, sondern ein Schöngeist mit der uneingeschränkten Ehrlichkeit eines naiven, unreifen Kindes. Diese Merkmale sind es schließlich auch, die ihn in der menschlichen Gesellschaft scheitern lassen oder besser gesagt, die die menschliche Gesellschaft an ihm scheitern läßt.

Von der Kosmetik-Beraterin Peg Boggs in der Burg entdeckt und kurzerhand mit nach Hause genommen (mit der lakonischen Bemerkung "Du lebst jetzt bei uns!"), wird Edward schnell zum Star der Nachbarschaft. Seine Fähigkeiten und sein Feingefühl als Heckenschneider, Hunde- und Damencoiffeur (nichts ist erotischer als ein Haarschnitt von Edwards Scherenhänden) werden besonders von den tagsüber gelangweilten und einsamen Hausfrauen in Anspruch genommen. Als man bereits Pläne für seine Zukunft schmiedet - er soll einen eigenen Frisörsalon eröffnen - nimmt das Unheil seinen Lauf. Edward verliebt sich nämlich in Kim, die Tochter der Boggs, worauf deren eifersüchtiger Freund Jim ihn zu einem Einbruch in sein Elternhaus verleitet. Aus Liebe zu Kim macht Edward mit und wird prompt von der Polizei geschnappt. Kim im letzten Augenblick seine Liebe gestehend, muß Edward, verfolgt von aufgebrachten Bürgern, zurück in seine Burg fliehen, wo er schließlich seine Ruhe findet.

Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch heute und frisiert weiterhin Hecken und Sträucher.

Das Kino wird oft als Palast der Träume bezeichnet und genau das ist es, was Tim Burton uns hier mit einem Minimum an Story vorführt. Die Geschichte von Edward gleicht einem Traum, einem Märchen, das wert wäre, in Grimms Märchensammlung aufgenommen zu werden. Dieser Film stellt eine außergewöhnliche Gemeinschaftsleistung aller Beteiligten dar, bei der niemand versucht, sich auf Kosten anderer zu profilieren. Alle filmischen Mittel werden wohlüberlegt eingesetzt, alles greift ineinander über. Angefangen bei den hervorragenden Schauspielern bis hin zu Kamera, Schnitt und Musik.

Johnny Depp (CRY BABY), der flippige Teenager-Star aus der TV-Serie 21 JUMP STREET unterwirft sich ganz den Anforderungen seiner Rolle, wird eins mit Edward und schafft es so, Peinlichkeiten oder allzu penetrante Rührseligkeiten zu vermeiden. Außerdem: Dianne West (THE LOST BOYS) als Pet Boggs, unvoreingenommen, mit einem großen Herzen; Alan Arkin (WAIT UNTIL DARK) als ein stets bissig kommentierender, liebevoller Familienvater; Wino-na Ryder (BEETLEJUICE, HEATHERS) als liebliche Kim und Anthony Michael Hall (WEIRD SCIENCE) als ihrFreund, der seine eher undankbare Rolle nicht überzeichnet.

Die gleitende, oft scheinbar schwebende Kamera Stefan Czapskys fängt alles in bunten, klaren Bildern ein, untermalt mit der wundervollen Musik Danny Elfmans. Tim Burton porträtiert seine Figuren mit viel Liebe und Sorgfalt, was besonders für die kurzen Auftritte von Vincent Price (als der alternde Erfinder) gilt - nach eigenen Worten Burtons Lieblingsschauspieler, so daß man ihnen am liebsten noch länger zusehen würde.

Und obwohl die Geschichte auf ein eher trauriges Ende hinausläuft, fehlt es dem Film nicht an Humor und satirisch-ironischen Beobachtungen des Regisseurs. Etwa wenn Vater Boggs in Ermangelung von Schnee zu Weihnachten weiße Schaumstoffmatten auf dem Dach des Hauses befestigt oder Edward trotz seiner Scherenhände in einem Wasserbett schlafen soll.

EDWARD SISSORHANDS ist für mich eine rare Perle im Genrefilmangebot.

Bewertung: 12 Punkte

  • Edward Scissorhands
  • USA 1991
  • Regie: Tim Burton
  • Produktion: Denise DiNova, Tim Burton
  • Drehbuch: Caroline Thompson
  • Kamera: Stefan Czapsky
  • Musik: Danny Elfinan
  • Darsteller: Johnny Depp, Winona Ryder, Dianne Wiest, Alan Arkin, Anthony Michael Hall, Kathy Baker
  • FSK: 12
  • 105 Minuten
  • Fox Video