Kinodekorateur

Von Beruf Kinodekorateur

Kinodekorateur André Günther berichtet von seinem Berufsalltag

von Markus Janda

Unser Mitarbeiter André Günther wurde 1965 im niedersächsischen Oldenburg geboren. Bereits während der Schulzeit beschäftigte er sich mit dem Sammeln von Filmmaterialien und dem Drehen eigener S8-Urlaubs- und -Kurzfilme. Nach dem Abitur verschlug es ihn zwecks Aufnahme des Studiums der Theater-, Film-und Fernsehwissenschaften nach Frankfurt, wo er einschlägige Magazinerfahrung in den Redaktionen von "MorgenGrauen" und "X-Tro" sammelte, bevor er zu "Spookie" stieß. Seit 1990 arbeitet André im Frankfurter "Turm-Palast"-Kino, hauptsächlich als Dekorateur. Die phantasievollen Dekorationen zu den jüngsten Fantasy-Streifen DANTE'S PEAK, ANACONDA und BATMAN & ROBIN nahm Markus Janda zum Anlaß, seinem Redaktionskollegen André mal ein wenig auf den Zahn zu fühlen.

 

Was muß man sich unter der Arbeit eines Dekorateurs im Kino vorstellen?

Nun, zum einen gehört dazu, die Schaukästen für das jeweils laufende Programm und die Wände mit den Vorankündigungen auf dem neuesten Stand zu halten, d.h. Plakate von der Vorankündigung zum aktuellen Programm zu hängen und die Vorschau-Wände entsprechend neu zu dekorieren. Zum anderen gehört dazu, die großen amerikanischen Aufsteller zusammenzubasteln - manchmal eine richtige Fummelarbeit. Klingt eigentlich ganz einfach, aber man braucht für die Arbeit schon ein wenig gestalterisches Geschick, sonst sehen die Plakate einfach nur wie an die Wand geklatscht aus.

Wie lange brauchst Du für Deine Dekorationen?

Im Grunde hängt die Arbeitszeit davon ab, welche neuen Filme in einer bestimmten Woche anlaufen, bzw. in unserem Kino gezeigt werden. Zwischen zwei und fünf Stunden kann man aber rechnen. Jeweils am Mittwochabend, spätestens aber am Donnerstag vor Beginn der ersten Vorstellung sollte die Deko auf dem neuesten Stand sein.

Kriegst Du auch mal Plakate, die Du lieber nicht aufhängen würdest?

Aber sicher. Da hat man ein klasse Originalplakat als Vorankündigung hängen und wenn dann die deutschen Plakate kommen, fragt man sich nur, wer die zusammengeschustert hat. Wenn schon die Plakate so grausam aussehen, ist es ja oft nicht verwunderlich, wenn dann niemand in den Film geht. Letztlich ist es aber die Entscheidung des Verleihers, was als Werbematerial rausgegeben wird. Uns bleibt dann nur, das Beste daraus zu machen. Es gibt aber auch wirklich gelungene Plakate, die nicht nur ansprechend aussehen, sondern mit denen man auch dekomäßig mehr anstellen kann, als sie nur an die Wand zu pinnen.

Mußt Du Dich bei Deiner Arbeit an irgendwelche Vorgaben seitens der Theaterleitung oder der Verleiher halten?

Nein, normalerweise kann ich die Plakate so aufhängen, wie ich es für richtig halte. Zuweilen wird der Wunsch geäußert, für bestimmte Filme großflächiger oder aber an bestimmten, besonders gut einsehbaren Wänden zu dekorieren.

Ihr habt in letzter Zeit noch einige andere Werbeaktionen laufen gehabt, bei denen Ihr richtig plastisch und großflächig gearbeitet habt. Ich denke da zum Beispiel an den Vulkan zu DANTE'S PEAK, die Riesenschlange zu ANACONDA und Gotham City zu BATMAN & ROBIN. Kriegt Ihr bei solchen Aktionen irgendwelche Vorgaben?

Auch hier gibt es im Grunde keine großartigen Vorgaben. Eventuell kommt mal der Theaterleiter mit dem Wunsch, zu einem bestimmten Film eine Sonderaktion durchführen zu wollen, ansonsten können wir selber sagen, was uns zu einem Film vorschwebt und wir haben dann freie Hand. Die einzige Einschränkung besteht beim Budget - aber so mit zwei-, dreihundert Mark kommen wir schon ganz gut über die Runden. Das ist ja auch ein kreativer Ansporn, mit wenig Geld etwas Originelles zu schaffen.

Was für Materialien verwendet Ihr denn bei solchen großen Dekorationen?

Eigentlich alles, was uns irgendwie brauchbar erscheint. Viel dunkle Stoffe, mit denen wir in einem ersten Schritt den Raum so weit wie nötig und möglich verändern, damit die Deko auch richtig zur Geltung kommt. Dann nehmen wir alte Pappaufsteller, Bretter, Sprühfarben und auch schon mal ein paar Eimer Sand oder echte Unkrautpflanzen, die wir entsprechend unseren Vorstellungen einbauen. Die meisten Materialien werden ins Lager gepackt und später wiederverwendet.

Du sprichst immer wieder von "uns". Wer hilft Dir bei Deiner Arbeit?

Meistens arbeite ich mit meinem Kollegen Fahri Adakoglu zusammen. Bei ganz großen Sachen wie der Deko für das Fantasy-Filmfest gibt es noch ein paar andere, engagierte Mitarbeiter, die gerne mal ihre Vormittage oder Abende für diese Arbeit opfern.

Habt Ihr schon mal Reaktionen auf Eure Kunstwerke bekommen?

Also mit dem Vulkan, übrigens inklusive Nebelmaschine und feuerartiger Beleuchtung, haben wir es immerhin in die Mitarbeiterzeitung der UFA und in den "Blickpunkt Film" geschafft. Und die fünf Meter lange Schlange zu ANACONDA, selbst entworfen und von meiner Freundin Christine zusammengenäht, befindet sich jetzt leihweise in einem Kino in Stuttgart. Ansonsten bekommt man schon viel Lob von Mitarbeitern und auch Kunden. Der größte Kritikpunkt ist allerdings, warum wir immer so aufwendige Dekorationen zu so schlechten Filmen machen.

Du erledigst im "Turm-Palast" neben der Deko auch noch andere Jobs. Gibt es eine Funktion, die Du nicht so gern ausübst?

Nein, eigentlich nicht. Jede Arbeit hat ihre positiven und negativen Seiten. An der Kasse etwa ist es eher möglich, mal ein bißchen zu entspannen, allerdings nicht wenn während des dicksten Haupteinlasses die Leute anrufen und wissen wollen, was für Filme laufen. Als Eisverkäufer wiederum muß man ein wenig Entertainer sein, um die Leute aus der Reserve zu locken. Ein kesser Spruch wirkt meist eher als diese übliche "Wünscht jemand Eis?"-Floskel, aber das liegt eben nicht jedem. Beim Aufräumen kommt man sich dagegen manchmal wie ein Müllmann vor, während man sich an der Süßwaren-Theke über gute Umsätze freut die natürlich auch mehr Abfall bedeuten.

Gibt es Momente, die Dich als Dekorateur, bzw. Kinomitarbeiter besonders freuen oder ärgern?

Natürlich gibt's die. Ärgern tut es mich z.B., wenn manche Leute auf ein Plakat scharf sind und es einfach klauen. Wir haben schon Leute erwischt die eine große Werbeplane, die an die Wand genagelt war, mal eben so aus dem Kino schaffen wollten. Manche ramponieren auch die Pappaufsteller, wie kürzlich den zu CON AIR, wo nach einer Woche sämtliche Köpfe der Darsteller abgerissen waren. Lustig ist dagegen, wenn ein paar junge Zuschauer so wild auf das Saurierplakat von JURASSIC PARK: LOST WORLD sind, daß sie allen Ernstes wollen, daß wir es beim Verleih bestellen und ihnen dann verkaufen. Schön ist auch, wenn ein Kollege eine gehbehinderte Kundin die Treppe rauf ins Kino trägt und diese dann einen netten Leserbrief an die "Frankfurter Rundschau" schickt.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 6, August 1997

Fotos: André Günther