Cameron Teil 3

KNALLWUMMPENG

Die Filme von James Cameron, Teil 3

von Markus Janda

"I need your boots, your clothes and your motorcycle!" Provozierende Worte, noch dazu, wenn sie an einen grobschlächtigen Biker gerichtet sind, der eher in den Asphalt seines Lieblingshighways beißen würde als einem Fremden seine Harley zu überlassen. Aber was versteht ein Rocker schon von den Bedürfnissen eines Terminators? Dem wiederum sind Zimperlichkeiten jeder Art völlig fremd, und so sind die neuen Besitzverhältnisse schnell geklärt. Eine zerquetschte Hand und ein durchstoßenes Schulterblatt später sitzt der Kampfkoloß aus einer trüben Zukunft im Sattel seiner neuen Harley. Der Motor röhrt los, eine Gitarre jault auf und ab geht's in das meistbesuchte Kinoabenteuer des Jahres 1991.

Anfangs sträubte sich James Cameron gegen eine TERMINATOR-Fortsetzung

Sieben Jahre ließ sich James Cameron Zeit, ehe er den Terminator reaktivierte, jenen schier unüberwindlichen Stahlkrieger, der 1984 von Linda Hamilton wortwörtlich plattgemacht worden war und dessen chromblitzender Geist Cameron fortan verfolgte. Denn trotz ALIENS und THE ABYSS wird James Cameron nach wie vor zuerst mit TERMINATOR in Verbindung gebracht.

Anfangs sträubte er sich noch gegen eine Fortsetzung seines allerersten Kinohits. Es sei doch damals schon alles erzählt worden, was es zu erzählen gab, fegte er jahrelang alle Gerüchte von einem zweiten TERMINATOR-Film vom Tisch. Erst, nachdem er mit seinem sündhaft teuren Unterwasserspektakel THE ABYSS an der Kinokasse Schiffbruch erlitten hatte, nahm TERMINATOR 2 konkrete Formen an. Zweifellos läßt sich darüber spekulieren, weshalb Cameron plötzlich für eine Fortsetzung zu begeistern war. Möglicherweise hatte er die begründete Angst, nach dem Flop von THE ABYSS in Hollywood ins Abseits zu geraten und wollte aus diesem Grund als nächstes einen sicheren Erfolgsfilm drehen.

Daß ihn über Nacht die Muse geküßt haben soll, halte ich jedenfalls für unwahrscheinlich in Anbetracht des wirklich dämlichen Plots, den er sich für T2 ausgedacht hat. Selbst Co-Drehbuchautor William Wisher wollte es anfangs nicht glauben: "Ich saß öfter mit Jim zusammen und wir spielten mit Ideen, wie wir die Geschichte sinnvoll weitererzählen können. Ich nahm das nie wirklich ernst, bis er eines Nachts vorbeikam und ein vergilbtes Stück Papier aus der Tasche kramte, auf dem stand: Der junge John Connor. Der Terminator kommt zurück und wird sein Freund. Ich lachte herzlich, bis er mir sagte, daß T2 grünes Licht habe und das unsere Story sei."

Cameron erklärt den Schwenk vom bösen Terminator zum guten damit, daß er keine Lust gehabt habe, den Terminator des ersten Films einfach zu übernehmen. "Er mußte sich charakterlich irgendwie von dem des Originalfilms abheben. Also verpaßte ich ihm die Fähigkeit, sich menschliche Verhaltensweisen aneignen zu können und so in gewisser Weise einer von den Guten zu werden." Was freilich nicht bedeutet, daß aus dem Terminator plötzlich ein braver Zeitgenosse geworden wäre. "Er versucht sich seiner Umwelt anzupassen, indem er das Verhalten der Menschen kopiert. Dennoch bleibt er eine tödliche Kampfmaschine", bringt es Arnold Schwarzenegger auf den Punkt.

Im Gegensatz zu TERMINATOR, in dem Schwarzenegger neben dem berühmten "I'll be back!" kaum einen artikulierten Laut von sich geben mußte, hatte der Österreicher in T2 mit einer relativ großen Anzahl an Dialogszenen zu kämpfen. "Die ganzen Action-Szenen waren recht einfach zu bewältigen", erinnert sich Schwarzenegger. "Schwierig waren die Dialoge, weil ich als Maschine natürlich ganz anders sprechen mußte als sonst. Ich mußte mich anhören wie ein Tonband, das abgespielt wird. Das erforderte beim Drehen eine hohe Konzentration, denn schon die kleinste Unterbrechung hätte die ganze Szene geschmissen."

Insekten dienten Robert Patrick als Inspiration für die Interpretation des T-1000

Der (un)heimliche Star von T2 ist natürlich der Kampfroboter T-1000, eine Weiterentwicklung des von Schwarzenegger verkörperten T-800, dem es möglich ist, jede Gestalt anzunehmen und der diese Fähigkeit bei seiner Jagd auf den kleinen John Connor auch des öfteren einsetzt. Robert Patrick, der den T-1000 spielt, holte sich bei der Vorbereitung auf seine Rolle Inspirationen aus dem Tierreich. "Ich erforschte Tiere, vor allem Insekten, um meinen Charakter möglichst frei von menschlichen Zügen anlegen zu können. Ich wollte wie ein Insekt wirken, dessen Killerinstinkt es ein Ziel fokussieren und durch Jedes Hindernis gehen läßt, um an seine Beute zu gelangen. Camerons Regie und die Arbeit der F/X-Teams besorgten den Rest."

Nachdem TERMINATOR 2 fertiggestellt war, kümmerte sich James Cameron erst einmal um den Aufbau seiner Produktionsfirma Lightstorm Entertainment sowie der gemeinsam mit F/X-Wizard Stan Winston gegründeten Computertrick-Company Digital Domain. Daneben plante er einen kleinen Film, in dem John Cusack einen Mann mit mehreren Identitäten spielen sollte. Aus juristischen Gründen mußte der Film jedoch kurz vor Drehbeginn gecancelt werden.

TRUE LIES verhalf Arnold Schwarzenegger zu einem neuen Karriereschub

Doch ein neues, deutlich größeres Projekt bahnte sich bereits an. Arnold Schwarzenegger schwärmte bei einem Essen mit Cameron von einem französischen Film namens LA TOTALE, in dem die Familie eines Geheimagenten unter skurrilen Umständen ins internationale Spionagegeschäft verwickelt wird. ameron war von der Story fasziniert und entwickelte in den folgenden Monaten das Konzept zu der Agentenkomödie TRUE LIES, in der sich die gelangweilte Ehefrau eines Topspions (Jamie Lee Curtis) eines Tages selbst als Agentin versucht und dabei in die Hände einer Terroristengruppe fällt. "Sicher kann man Ähnlichkeiten zu LA TOTALE feststellen", gesteht der Regisseur, "dennoch ist TRUE LIES alles andere als ein Remake."

Für die Realisierung von TRUE LIES benötigte Cameron ein knappes Jahr für logistische Vorbereitungen, fast sieben Monate Drehzeit, ein Budget jenseits der 50 Mio.-Dollar-Grenze sowie rund 2000 Mitarbeiter. Gedreht wurde quer durch die USA, u.a. in einem Skigebiet an der Grenze zwischen Kalifornien und Nevada, wo die Eröffnungsszene gefilmt wurde. Wie jeder James Cameron-Film ist auch TRUE LIES gespickt mit Spezialeffekten, die aber insgesamt gesehen unauffälliger sind als etwa die spektakulären Verwandlungen des T-1000 in TERMINATOR 2. "Der Zuschauer wird die besten Effekte gar nicht konkret als solche erkennen", meint Cameron. „Wir zeigen beispielsweise am Anfang das Bild einer Villa in der Schweiz, das sich aus sechs an unterschiedlichen Orten aufgenommenen Einzelkomponenten zusammensetzt."

TRUE LIES wurde 1994 wie erwartet ein Kassenknüller und verhalf seinem Hauptdarsteller Arnold Schwarzenegger nicht nur zu einem noch dickeren Portemonnaie, sondern auch zu einem neuen Karriereschub, den der Steirer durchaus brauchen konnte, nachdem der Flop seines vorangegangenen Filmes LAST ACTION  HERO deutlich an seinem Nimbus vom "Superstar, der jedem Film zum Erfolg verhilft" gekratzt hatte.

"Drogen im Essen ! Ganz Crew von Titanic-Film in Klinik" Schlagzeile der Münchner "tz"

Zur Zeit steckt James Cameron mitten in den Dreharbeiten zu seinem neuesten Film TITANIC, der im nächsten Frühjahr in die Kinos kommen soll und schon jetzt für Schlagzeilen sorgte, nachdem ein Spinner dem Filmteam Drogen ins Essen mischte und an die 50 Crewmitglieder (darunter Hauptdarsteller Bill Paxton) für kurze Zeit außer Gefecht setzte (siehe Ausriß aus der Münchener "tz").

Nach TITANIC will sich Cameron im Zuge der von INDEPENDENCE DAY losgetretenen "Außerirdische gegen die Erde"-Welle an eine Neuverfilmung des SF-Klassikers KAMPF DER WELTEN machen. Daß die Euphorie für derlei Filme lange genug anhält, damit dieses Projekt tatsächlich realisiert wird, bezweifle ich im Moment allerdings noch. Doch selbst wenn KAMPF DER WELTEN ins Wasser fallen sollte, hätte James Cameron mit seiner lange geplanten SPIDERMAN-Verfilmung noch ein heißes Fantasy-Eisen im Feuer - vorausgesetzt, ein findiger Anwalt kann das rechtliche Wirrwarr um den berühmten Wandkletterer endlich auflösen, an dem der Film bislang gescheitert ist.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 3, November 1996