Fantastic Arts

FANTASTIC`ARTS

Filmfest mit Schwächeanfällen

Kommentar von Ivo Scheloske

"Es ist schon bedauerlich, daß viele eingeladene Gäste abgesagt haben, mit der Begründung, daß man bei uns jetzt nicht mehr Skifahren kann - im Gegensatz zu damals in Avoriaz!" Harte und erstaunlich ehrliche Worte für einen Mann wie Lionel Chouchon, der seit Anfang der 70er Jahre das Avoriaz-Festival, vielleicht das traditionsreichste Genrefestival Europas, organisiert hatte und, nachdem dieses Festival mittlerweile "getiltet" wurde, FANTASTIC`ARTS in Gerardmer im Elsaß ins Leben rief.

FANTASTIC`ARTS ging 1997 bereits ins vierte Jahr, doch einen Grund zum Feiern gab es wirklich nicht. Und das verwundert doch ein bißchen, steckt doch hinter diesem Festival nicht irgendeine Firma, sondern LE PUBLIC SYSTEME, die ja u.a. auch das Festival in Dauville veranstalten, wo sämtliche amerikanischen Majors ihre kommenden Blockbuster ins Rennen schicken. Wenn man jedoch hört, daß Warner Brothers MARS ATTACKS nicht bei FANTASTIC`ARTS laufen ließ, weil es sich hierbei mitnichten um einen Science-Fiction-Film handle, sondern um eine sozialkritische Satire, kann man nur noch mit dem Kopf schütteln.

Daß das diesjährige Programm dem Programm des letzten Jahres hinterherhinkte, lag allerdings nicht nur an den Verleihern, sondern auch an den Organisatoren. Die hatten nämlich bereits im Vorfeld entschieden, dem Zuschauer nur "erstklassige" Ware vorzusetzen - mit der Konsequenz, daß kleinere Produktionen wie FATAL FRAMES oder HABITAT und insbesondere Produktionen aus dem asiatischen Raum (GING-KO BED, FUDOH) gar keine Chance bekamen, sich einem open-minded Publikum zu präsentieren. Das grenzte in diesem Moment fast schon an Vorzensur.

Dafür bekam man mit THE RELIC, FRIGHTENERS und SCREAM, der wohl auch der Eröffnungsfilm des diesjährigen FANTASY FILMFESTES sein wird, Mainstream pur serviert. Den einzigen Lichtblick bildete der Überraschungsfilm, der von Christophe Gans (CRYING FREEMAN) persönlich mitgebracht und vorgestellt wurde: ZU - WARRIORS OF THE MAGIC MOUNTAIN (im chinesischen Original mit französischen Untertiteln). Der große Hit des Festivals war jedoch Rainer Matzutanis Komödie NUR ÜBER MEINE LEICHE (besser TUEZ MOI D'ABORD), die gleich drei Preise abräumte. Wen wundert's, daß sich unter einem derartigen Teilnehmerfeld auch noch THE CROW - CITY OF ANGELS befand, der unter Anwesenheit des Hauptdarstellers Vincent Perez, der meiner Meinung nach eine extreme Ähnlichkeit mit einem mir bekannten Chefredakteur (Gruß an Christian) aufweist, gezeigt wurde?

Noch ärgerlicher als das Programm (wer sich nur etwas bemühte, konnte das Gros der Filme schon vor dem Festival andernorts begutachten), gestaltete sich die Pressearbeit. War es schon entnervend, daß man weder in dem eigens für die Presse zusammengestellten Event-Katalog noch von den Pressebetreuern selbst auf das Vorhandensein eines Arbeitsraumes hingewiesen wurde (durch Zufall erhielten wir den Tip eines französischen Kollegen), war die Jagd nach Interviews fast von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Das lag einerseits an den Allüren der Gäste (damit lernt jeder Journalist im Laufe der Jahre zu leben), zum anderen an der Überorganisation des Festivals. Liefen im vorherigen Jahr so gut wie alle Termine über das Pressebüro (wenn man nicht sogar problemlos direkt mit dem VIP Kontakt aufnahm), so war dieses Jahr das Pressebüro nur die erste Anlaufstelle. Eine Tatsache, von der man dank der neuen und unzureichend eingewiesenen Mitarbeiter leider erst sehr spät erfuhr. Damit das klargestellt ist: Die Mitarbeiter des Pressebüros taten wirklich ihr Bestes - Merci, Claire! - hatten aber leider nicht alle nötigen Informationen vorliegen, um der Anfrageflut der Journalisten Herr zu werden. Das Problem lag dieses Jahr "ganz einfach" daran, daß fast jeder Gaststar einen eigenen Agenten hatte, der für ihn den Terminkalender führte. Wer aber nun für wen zuständig war, konnte eben selbst im Pressebüro kaum einer sagen.

Schlußstrich: Trotz aller Widrigkeiten, die dieses Jahr auftraten, zählt FANTASTIC`ARTS zu den sympathischsten Genre-Festivals in unseren Breiten, was nicht zuletzt an dem unglaublich netten und freundlichen Personal liegt. Die Tatsache, daß die Festivalleitung durchaus bereit ist, auf bestimmte Kritikpunkte einzugehen und im nächsten Jahr (hoffentlich) für Besserung zu sorgen, macht es einem überdies leicht, die genannten Probleme als "Kinderkrankheiten" anzusehen, von denen man sich nicht den Spaß verderben lassen sollte. Und Spaß hatten wir in Gerardmer allemal.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr.5, Mai 1997