Max Müller

"Genau den Job wollte ich."

Interview mit Comic-Chefredakteur Max Müller

von Markus Janda

Max Müller kam am 29. September 1967 in Tuttlingen zur Welt, durchlief die staatlich verordnete Schulausbildung bis zum Abitur und schrieb sich 1988 an der Universität in Konstanz ein, um Jura zu studieren. Nicht etwa, weil er als Anwalt Karriere machen wollte, sondern weil er hoffte, später als juristisch bewanderter Quereinsteiger bei einem Comic-Verlag den Fuß in die Tür zu kriegen. Für ihn als leidenschaftlichen Comicsammler stand nämlich schon frühzeitig fest, daß er beruflich nur im Comic-Bereich glücklich werden würde, und tatsächlich: 1995, gleich nach Abschluß seines Studiums, offerierte ihm der DINO-Verlag, bei dem Max Müller wegen eines Jobs vorstellig geworden war, den Posten des Chefredakteurs der Comic-Reihe "Batman Adventures". Mittlerweile leitet Max Müller auch die redaktionellen Geschicke der Serien "Die Simpsons", "Superman", "JLA-Die Gerechtigkeitsliga" und "DC gegen Marvel". "Spookie"-Grafiker Markus Janda rückte dem Heftchen-Macher auf die Pelle...

 

Was tut eigentlich der Chefredakteur eines Superhelden-Comics?

Also, grundsätzlich besteht meine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, daß das Comicheft auf den Markt kommt, d.h., ich bin dazu da, um von der ersten Terminplanung bis zur Abgabe der Druckfilme alles zu organisieren und zu kontrollieren. Ich muß Termine machen, die amerikanischen Hefte besorgen, diese an den Übersetzer schicken, die Übersetzung redigieren und an den Letterer weiterreichen. Nebenher müssen die redaktionellen Seiten geschrieben werden, das macht unser Redakteur. Ich schau' mir dann seine Texte an und bespreche mit ihm, was vielleicht noch rein soll, ob wir z.B. ein Gewinnspiel veranstalten. In so einem Fall müßten dann noch Preise organisiert werden. Zum Schluß werden die Bild- und Textunterlagen an den Grafiker weitergegeben, mit dem wir dann zusammen die redaktionellen Seiten und das Cover gestalten. Ganz am Anfang müssen natürlich die Comicfilme aus Amerika bestellt werden. Da kommt dann nämlich in der Repro das Lettering drauf. Tja, und wenn das alles gemacht ist, geht das Ganze an die Herstellung. Um die reine Comicproduktion herum gibt's natürlich auch noch einiges zu tun. Da müssen z.B. TV-Spots organisiert und Abo-Aktionen vorbereitet werden - das fällt auch noch alles in meinen Tätigkeitsbereich.

Wie ich in "Spiegel Extra" gelesen habe, bist Du gelernter Jurist. Da war der Wechsel ins Verlagswesen, noch dazu als Chefredakteur einer Comic-Serie, sicher ein Sprung ins kalte Wasser. Hattest Du Angst, als Ungelernter auf dem Stuhl des Chefredakteurs nicht bestehen zu können?

Nein, denn eigentlich war das genau der Job, den ich haben wollte. Jura habe ich nur studiert, um später mal ein abgeschlossenes Studium vorweisen zu können - und weil man mir gesagt hat, daß ein Jurastudium sehr hilfreich sein kann, wenn man im Medienbereich arbeiten will. Während meines Studiums habe ich dann mehr Comic studiert als Jura. Ich hab' Comics gesammelt, hauptsächlich amerikanische, aber auch deutsche, bin auf Comic-Börsen gefahren, habe gekauft und verkauft, bin nach Amerika gefahren auf die Auktionen. Diese Begeisterung für Comics hat bei mir vor ungefähr zehn Jahren begonnen, und seitdem habe ich mich eigentlich fast ausschließlich mit Comics beschäftigt. Natürlich auch mit Kino und Video, ich bin auch Fußballfan, es ist also nicht so, daß ich jetzt nur auf Comics fixiert bin, aber Comics sind auf jeden Fall mein größtes Hobby. Naja, jedenfalls wurde in mir der Wunsch immer größer, irgendwas mit Comics zu machen. Zeichnerisches Talent war weniger vorhanden, trotzdem habe ich mir irgendwann gesagt: "Komm', probier einfach mal, bei einem Comicverlag unterzukommen. Probier die Comics auf den Markt zu bringen, von denen du denkst, daß sie auf dem Markt fehlen, die du gerne auf dem Markt sehen würdest - eben die Heftchencomics im billigen Format." Das war z.B. etwas, was mich am deutschen Comicmarkt angekotzt hat, daß Comics nur noch im Albumformat angeboten wurden und die Alben immer teurer wurden. Ich habe mich damals mit Redakteuren von verschiedenen Comicverlagen unterhalten und die haben mir alle gesagt, daß der Comicmarkt, so wie ich ihn mir vorstelle, tot sei. Das war er natürlich auch zu der Zeit. Nur habe ich mir gedacht, wenn man es mal auf eine andere Art probieren würde, wenn man qualitativ gute Heftchen rausbringen würde, dann müßte es doch gehen.

In den 70er und 80er Jahren gab es ja schon mal Superhelden-Comicserien auf dem deutschen Markt. Glaubst Du, daß die Hefte, die der "Dino-Verlag" rausbringt, besser sind als das, was damals von "Williams" oder "Ehapa" herausgegeben wurde?

Ich muß sagen, daß ich ein großer Fan der "Williams"-Comics bin. Das waren damals sicher mit die bestgemachten Comichefte in Deutschland. Wenn ich sie aber mit unseren Heften vergleiche, dann hat sich da schon sehr viel geändert. Das liegt jetzt nicht am "Dino-Verlag", sondern die ganze Optik der Comics hat sich generell verbessert, auch und gerade in den USA. Dazu kommt, daß sich die Art, wie hierzulande Comics hergestellt werden, auch geändert hat. Ich nenn' jetzt mal als Beispiel die ,"Ehapa"-Comics der 70er und 80er Jahre, "Superman", usw. Der "Ehapa-Verlag" wollte damals Geld sparen und hat aus Amerika immer nur den Schwarzfilm bestellt und die Hefte selber koloriert Ich habe mich früher oft gefragt, warum die Hefte so anders aussehen, weil ich ja auch immer wieder mal die amerikanischen Originale gekauft habe. Dann waren die Hefte früher normalerweise nie handgeletttert, sondern mit Schreibmaschine - das sind so Punkte, wo ich sage, daß unsere Hefte klar besser sind.

Wieso haben die Superhelden-Heftchen eigentlich plötzlich wieder so einen Erfolg, nachdem sie praktisch ein Jahrzehnt lang fast gänzlich von den Kiosken verschwunden waren?

Ich nehme an, wir sind einfach in eine Marktlücke gestoßen. Wir wollten uns von Anfang an vom Marktführer "Ehapa" unterscheiden und haben ganz klar gesagt: "Wir definieren unser Betätigungsfeld anders als 'Ehapa'." "Ehapa" hat mit "Micky Maus" und "Donald Duck" eine jüngere Zielgruppe, da hört's so mit 12, 13 auf. Gut, "Micky Maus" lesen auch Sechzigjährige, aber sowas wie "Familie Feuerstein" liest keiner mehr, der älter als 14 oder 15 ist. Wir dagegen wollten eine etwas ältere Zielgruppe ansprechen und haben diese Nische jetzt erstmal besetzt.

Verlage wie "Marvel" und "Splitter" haben mittlerweile auf den Erfolg eurer Comics mit eigenen Heftchen-Serien reagiert. Fürchtest Du diese Konkurrenz?

Es ist sicher für den Comicfan von Vorteil, wenn er am Kiosk nicht nur die paar "Dino"-Serien kriegt, sondern unter einer breit gefächerten Produktrange auswählen kann. Dadurch wird der Gang zum Kiosk für die Leute interessanter, wodurch wiederum unsere Chancen steigen, am Kiosk Hefte abzusetzen. Für mich hat das was sehr positives, daß die Comickultur am Kiosk wieder aufblüht. Wann der Punkt kommt, wo man sich gegenseitig die Käufer abjagt, das muß sich erst weisen, weil die Konkurrenz ja erst seit zwei, drei Monaten auf dem Markt ist. Das zeigt sich sicher erst im Laufe der nächsten 12 Monate, ob der Markt groß genug ist, daß alle bestehen können, oder ob er zu klein ist und einige wieder untergehen. Ich freue mich jedenfalls über die Entwicklung und sehe die Konkurrenz als Ansporn, noch bessere Comics zu machen.

Hast Du dir schon mal die Konkurrenzprodukte angesehen, beispielsweise die aus dem "Splitter-Verlag" ?

Natürlich hab' ich die angeschaut, und ich muß sagen, daß ich die grafische Aufmachung für nicht so gelungen halte. Das sind ja eigentlich Comics aus dem "Image-Verlag", und das sind sehr grafische Comics. Darum finde ich es schade, wenn man anfängt, die Seiten einzuscannen und man überall Moirés sieht. Auch die Cover sind schwach gestaltet. Außerdem finde ich den Preis nicht besonders gut. Man bekommt von "Splitter" ein amerikanisches Comic für 5,90 DM, d.h., umgerechnet auf "Dino"-Norm (zwei US-Comics in einem Heft - Anm. d. Verf.) wären das zwei Comics für fast 12,- DM. Da sind wir beinahe schon in der Album-Preisklasse.

Der "Dino-Verlag" bringt demnächst eine weitere "Batman"-Serie heraus. Wieviele Comic-Reihen kann sich eure Hauptzielgruppe, also die Zehn- bis Zwanzigjährigen, finanziell leisten? Ist da nicht irgendwann eine Schmerzgrenze erreicht?

Gute Frage. Für uns auch eine sehr wichtige Frage, die aber letztlich nur der Markt beantworten kann. Unsere Strategie sieht so aus, daß wir einfach immer wieder neue Serien auf den Markt bringen und testen. Das heißt im Klartext, daß wir erst mal eine Mini-Serie veröffentlichen und abwarten, wie die von den Lesern aufgenommen wird. Bei einer Serie wie "Batman" machen wir das natürlich nicht. Das ist eine klassische Serie, die Königsserie sozusagen. Aber bei Themen wie "Lobo" sind wir doch eher vorsichtig. Ab wieviel monatlichen Serien es kritisch wird, das können wir zur Zeit wirklich nicht beurteilen. Da streiten sich auch die Fans auf unseren Leserbriefseiten. Da gibt es welche, die jetzt schon rumjammern, daß das Taschengeld nicht reicht, während uns andere schreiben, daß wir doch noch mehr Serien herausgehen sollen. Mittlerweile haben sich zwei richtige Fronten gebildet. Die eine will uns davor warnen, nicht zu viele Comics rauszubringen, die andere meint, daß die Fans sich endlich von dem Gedanken verabschieden sollen, alles kaufen zu müssen, daß sie sich vielmehr nur noch die Serien kaufen sollen, die sie wirklich mögen - eine Denkweise, der ich absolut zustimme.

Der "Dino-Verlag" nimmt pro Heft zwischen vier und fünf Mark. Hältst Du das eigentlich für einen günstigen Preis? Kür dasselbe Geld könnte man sich immerhin auch die neue "Cinema" kaufen, die wesentlich mehr Seiten hat.

Komischerweise haben wir diese Diskussion auf unseren Leserbrietseiten nie gehabt. Es gibt natürlich immer wieder Leute, die sich über den Preis beklagen, aber die sind eindeutig in der Minderheit. Ich glaube, unsere Käufer honorieren einfach, daß wir ihnen ein gut gemachtes Produkt anbieten. Dazu kommt, daß ein Comicheft eher ein Sammelobjekt ist. Das schmeißt man nicht weg - man hat also länger was davon. Vermutlich wissen die Leute auch, was die Comics allein schon in Amerika kosten, meistens zwei Dollar, und daß sie von uns für 4,90 DM Comics im Wert von vier Dollar kriegen. Das bedeutet, daß sie mit den "Dino"-Heften günstiger fahren, als wenn sie sich die amerikanischen Originale kaufen würden.

Ist der "Dino-Verlag" eigentlich auf US-Comics fixiert oder könnt ihr Euch vorstellen, auch mal eine deutsche Comicserie zu veröffentlichen?

Ja, da gab's mal Ansätze mit den Machern von "Helden", Paul & Paul. Das wäre damals aber noch zu früh gewesen, wäre auch im Moment noch zu gewagt. Wir müssen erst einmal etabliert sein und die Verkäufe der anderen Reihen müssen so gut sein, daß wir sagen können: "Jetzt riskieren wir's mal und bringen 'ne Serie von 'nem Unbekannten mit einem unbekannten Charakter." Langfristig ist sowas aber auf jeden Fall geplant.

Wer entscheidet beim "Dino-Verlag" überhaupt darüber, welche Comics herausgegeben werden?

Das macht die Comic-Redaktion. Die trifft ihre Entscheidung aber nicht einfach so aus dem Bauch heraus, sondern da wird zunächst mal eine Leserbefragung durchgeführt und Marktforschung betrieben. Dann setzen wir uns zusammen und überlegen uns, welche Serie Sinn macht, wann wir starten, usw...

Das heißt also, daß Ihr vorher schon wißt, daß eine bestimmte Zahl von Lesern eure Neuerscheinungen kaufen wird?

Wissen tuste das erstmal gar nicht. Am Anfang ist jede neue Serie ein Risiko. Nehmen wir z.B. mal "Die Simpsons", die wir im letzten November gestartet haben. Da hat uns jeder gewarnt: "Oh, Leute, überlegt euch das gut. 'Die Simpsons', die waren mal vor zwei Jahren echt in, aber heute kräht kein Hahn mehr danach." Dennoch haben wir's gemacht, weil das einfach ein wunderschönes, sehr gut gemachtes Humor-Comic ist. Wir haben an "Die Simpsons" geglaubt und letztlich hat's ja auch wunderbar funktioniert - wir verkaufen heute rund 70 000 "Simpson"-Hefte pro Monat.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr.5, Mai 1997