Michele Soavi

"This is bullshit!"

Interview mit Michele Soavi

von Ivo Scheloske

Michele Soavi ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Dinge im Leben manchmal laufen können. Der Junge vom Land, tief beeindruckt von Carl Dreyers VAMPYR, den er mit acht Jahren im Fernsehen gesehen hat, nimmt sich vor, Schauspieler zu werden. Doch die Karriere will nicht so recht in Schwung kommen. Auf den Darsteller Michele Soavi hat die Welt nicht gewartet, und mit unbedeutenden Nebenrollen gibt sich Soavi nach einigen Jahren nicht mehr zufrieden. Er wechselt hinter die Kamera, wird Regie- und Kamera-Assistent und läuft dabei italienischen Regie-Veteranen wie Lucio Fulci, Dario Argento und Joe D'Amato über den Weg, die sich den Namen Soavi für künftige Projekte vormerken.

1986 schlägt schließlich Soavis große Stunde: Ihm wird die Regie der Dario Argento-Dokumentation WORLD OF HORROR übertragen. Joe D'Amato engagiert den talentierten Nachwuchsregisseur daraufhin für AQUARIUS. Der Film holt auf dem Filmfest in Avoriaz den Großen Preis. Mit den von Dario Argento produzierten Horrorstreifen THE CHURCH (1989) und THE SECT (1990) etabliert sich Michele Soavi schließlich endgültig als Regisseur. Soavis letzter Film DELLAMORTE DELLAMORE, der auf der in Italien überaus populären Comic-Reihe "Dylan Dog" basiert, wird von einigen Kritikern gar als Geniestreich bezeichnet. SPOOKIE-Redakteur Ivo Scheloske traf den Regisseur auf dem "Fantastic'Arts"-Festival in Gerardmer.

 

THE CHURCH und THE SECT wurden beide von Dario Argento produziert, ihr letzter Film DELLAMORTE DELLAMORE nicht mehr. Warum?

Nach THE SECT wollte ich mich von Argento trennen. Er übte zwar keinen so großen Einfluß auf mich aus, dennoch fühlte ich so etwas wie eine Last auf meinen Schultern. Als er mir weitere Projekte anbot, lehnte ich ab. Ich wußte, sein Name würde immer groß darüber stehen, während ich nur so etwas wie seine rechte Hand wäre. Außerdem hätte er DELLAMORTE nie produziert, weil der Film in eine ganz andere Richtung geht als das, was Argento sonst immer macht. Also habe ich mich mit noch zwei Leuten zusammengetan und eine eigene Produktionsgesellschaft gegründet.

Aber Sie sind nach wie vor mit Dario Argento befreundet? Gerüchten zufolge soll es ja auch im privaten Bereich Differenzen gegeben haben.

Das stimmt. Wir hatten unsere Differenzen im geschäftlichen wie auch im privaten Bereich. Das heißt aber noch lange nicht, daß wir nicht mehr befreundet wären. Argento ist immerhin 15 Jahre älter als ich. In vielen Dingen hat er eben ganz andere Ansichten. Er benutzt z.B. in seinen Filmen keinen Humor, keine Ironie. Ich wiederum liebe Humor.

Als ich einmal mit Heinz Bibo sprach, der DELLAMORTE co-produziert hat, sagte er mir, er habe dies aus dem Grund getan, weil das Drehbuch einige sehr schöne, poetische Szenen enthalten habe, die im Film fehlen würden. Was für Szenen waren das?

Ich wüßte nicht, was für Szenen das sein sollten. Wir haben eine Szene aus dem Drehbuch gestrichen, aus Budgetgründen, das stimmt. Darin kommt Dellamorte von seiner "Nachtarbeit" zurück in seine Wohnung, wo er auf zwei alte Leute trifft, die, wie sich herausstellt, seine Eltern sind. Es kommt zu einer Diskussion über sein Leben und seine Arbeit. Danach bekommt der Zuschauer mit, daß beide Einschußlöcher haben. Nachdem sie sich verabschiedet haben, bringt Dellamorte sie wieder ins Grab zurück. Eine sehr schöne Szene, meiner Meinung nach. Aber der Film ist dennoch genau so wie ich ihn mir vorgestellt habe, ich vermisse nichts in ihm.

Waren Sie eigentlich sehr stolz, als Ihr Film AQUARIUS den Großen Preis auf dem Filmfestival in Avoriaz gewann?

Absolut, denn dieser Erfolg öffnete mir die Tür zu einer internationalen Karriere. In Italien ist der Phantastische Film nicht mehr so populär wie in anderen Ländern. Avoriaz half mir da sehr, ich bekam sehr viel mehr Angebote. Nach Avoriaz ging ich auf das Brüsseler Filmfest, wo ich das große Glück hatte, Terry Gilliam zu treffen. Wir wurden Freunde und arbeiteten gemeinsam an DIE ABENTEUER DES BARON MÜNCHHAUSEN.

Sie waren 2nd Unit Director bei MÜNCHHAUSEN. Welche Szenen haben Sie gedreht?

Im Endeffekt habe ich laut Terry 20% des Films gedreht. Sie hinkten damals dem Zeitplan hinterher, und ich sollte mich um die Special-Effects-Szenen kümmern. Wenn also irgendwo Spezialeffekte zu sehen sind, dann habe ich das inszeniert. Das meiste davon sieht man ganz am Schluß, wenn die große Schlacht stattfindet, wo die Elefanten und Schafe geschmissen werden.

Man hat Argento mal die Frage gestellt, ob er Drogen benutzt hat, um neue Inspirationen zu bekommen? Haben Sie auch schon mal Drogen genommen?

Wenn ich depressiv bin, gehe ich manchmal Fallschirmspringen. Ein Sprung aus 4000 Metern Höhe, das ist schon was. Den Rest des Jahres schwebe ich dann einen Meter über dem Boden. Das ist meine Droge. Klar habe ich schon mal Joints geraucht. Zum Entspannen. Aber sowas wäre nichts für mich, um mir Inspirationen zu holen. This is bullshit!

Anmerkung: Die Langfassung dieses Interviews ist in der neuesten Ausgabe von X-TRO zu lesen, die in diesen Tagen erschienen ist.

Dieser Artikel erschien in Spookie Nr. 1, April 1996

Fotos: Ivo Scheloske